Paolo Sorrentino ist einer der interessantesten italienischen Filmemacher, aber auch ein Maestro kann nicht jedes Mal ein Meisterwerk abliefern. Sein Film „Parthenope“ ist von erlesener Schönheit, optisch so bezaubernd wie seine Protagonistin, aber er wirkt oberflächlich – und lässt den Zuschauer mit Fragen zurück.
Über den Film
Originaltitel
Parthenope
Deutscher Titel
Parthenope
Produktionsland
FRA,ITA
Filmdauer
137 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Sorrentino, Paolo
Verleih
Wild Bunch Germany GmbH
Starttermin
10.04.2025
Im Meer wird ein Mädchen geboren. Der alte Kommandant wusste immer, dass es ein Mädchen werden würde. Er hat der Geburt von den Mauern seines Anwesens aus beigewohnt. Als hochgerufen und gefragt wird, wie das Mädchen heißen soll, blickt er auf die Stadt hinter sich und ruft: „Parthenope“. In der griechischen Mythologie ist Parthenope die Sirene, die Selbstmord beging, nachdem es ihr nicht gelungen war, Odysseus zu verzaubern. Ihr Körper wurde von der Flut an den Ort gespült, an dem heute das Castel dell’Ovo steht, und so gab sie der Stadt, die später zu Neapolis, Neapel, wurde, ihren Namen. In Sorrentos Film soll man Parthenope als so etwas wie die Verkörperung der Stadt begreifen.
Parthenope ist von erhabener Schönheit, aber sie ist eine jener seltenen Frauen, so ihr Professor, die aus dieser Schönheit keinen Vorteil herauszuschlagen versuchen. Die Männer zieht sie jedoch in ihren Bann, selbst ihren Bruder Raimondo, der immer nur einen Augenblick davon entfernt ist, mit einer Berührung Grenzen zu verletzen. Mit 18 schreibt sich Parthenope an der Universität ein. Sie will Anthropologin werden. Dabei weiß sie über die schulische Definition hinausgehend nicht, was Anthropologie eigentlich ist. Erfahren wird sie es erst, als ihr Professor in den Ruhestand tritt und sie auf seinem Platz sehen will. Das ist übrigens eine höchst bizarre Szene, da Parthenope hier auch den behinderten Sohn des Professors kennenlernt – ein Wesen, das eher zu einem Fantasyfilm, als einem Drama passen würde. Vielleicht ist das Sorrentos unmissverständlicher Hinweis darauf, dass sein Film weit abseits der Realität erzählt ist. Dass er eine Art Märchen ist. Aber auch das trifft nicht wirklich zu.
Eher schon ist er die Geschichte eines Lebens. Das einer Frau von immenser Schönheit, die nach Wissen strebt, die sich fragt, wie sehr die Liebe wirklich lohnt, und der unklar ist, wie die Vergänglichkeit alles Lebende trifft. Sie ist lebenshungrig, will Schauspielerin werden, dann wieder nicht, verliert Menschen, lernt andere kennen und ist doch von einer Einsamkeit geprägt, die vielleicht aussagen soll, dass gerade die besonders schönen Menschen allein sind, weil sich niemand wirklich für sie interessiert. Der Hauptteil des Films spielt zwischen den Jahren 1968 bis 1983, der Epilog im Jahr 2023 scheint dann zu bestätigen, dass die Schönheit auch ein Fluch sein kann, weil Parthenope zwar gebeten wurde, jemandes Frau zu werden, dies aber nie ernsthaft war. Es war immer nur von Begierde getragen.
Mit knapp zweieinhalb Stunden ist „Parthenope“ ein überlanger Film. Die Erlebnisse der Titelheldin sind episodischer Struktur, so wie es das Leben auch ist. Mit Brüchen, Änderungen, Momenten, in denen man sich selbst herausfordert. Newcomerin Celeste Dalla Porta, die zuvor vor allem als Model gearbeitet hat, ist eine echte Entdeckung. Sie trägt den Film und sie zieht das Interesse des Publikums auf sich, zumal Daria D’Antonios Kamera (sie arbeitet seit „La Grande Bellezza“ mit Sorrentino zusammen) von erlesener Schönheit ist. So sehr die Geschichte auch von einer gewissen Oberflächlichkeit getragen ist, ihr Aussehen ist frei von jedem Makel. „Parthenope“ ist wahrscheinlich der schönste Film, den man dieses Jahr auf der Leinwand sehen kann.
Peter Osteried