Deutschland hat oft ein Problem mit seinen Berühmtheiten, das hat sich von Marlene Dietrich bis Boris Becker immer wieder gezeigt. Auch Hildegard Knef, die nun im Mittelpunkt von Luzia Schmids Porträtfilm „Ich will alles – Hildgard Knef“ steht, wurde vom Publikum mal geliebt, dann verachtet, war eine öffentliche Frau, allerdings auch narzisstisch und süchtig nach Ruhm, wie der stilistisch und erzählerisch konventionelle, aber sehenswerte Film deutlich macht.
Über den Film
Originaltitel
ICH WILL ALLES – HILDEGARD KNEF
Deutscher Titel
ICH WILL ALLES – HILDEGARD KNEF
Produktionsland
DEU
Filmdauer
98 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Luzia Schmid
Verleih
Piffl Medien GmbH
Starttermin
03.04.2025
„Für mich, solls rote Rosen regnen, mir sollten sämtliche Wunder begegnen“ singt Hildegard Knef in ihrem wohl bekanntesten Lied, das natürlich auch in diesem biographischen Dokumentarfilm nicht fehlen darf. Ganz am Anfang sieht man die Knef die berühmten Zeilen singen, so als wollte Luzia Schmid diesen Teil schnell aus dem Weg räumen, aber auch, weil die Zeilen zu gut das Wesen einer Frau treffen, die alles wollte und auch sehr viel bekam – allerdings auch Neid und Missgunst.
Drei Personen kommen in „Ich will alles – Hildgard Knef“ zu Wort: Ihr einziges Kind, die Tochter Christina Antonia, deren Vater Knefs zweiter Ehemann war, dazu ihr dritter und letzter Mann, der aus einem österreich-ungarischen Adelsgeschlecht stammende Paul Rudolf Freiherr von Schell zu Bauschlott und Hildgard Knef selbst. Ausgiebig wird aus den autobiographischen Büchern der Knef zitiert, vor allem aus dem ebenso bekannten wie erfolgreichen „Der geschenkte Gaul“, das 1970 erschien und ein halbes Jahr auf Platz 1. der Spiegel-Bestsellerliste stand. Gesprochen werden die Zitate von der Schauspielerin Nina Kunzendorf, die gar nicht erst versucht, Knefs unverwechselbare, tiefe, verrauchte Stimme nachzuahmen. Diese Stimme hört man im Film ebenfalls sehr oft, in den zahllosen Interviews die Hildegard Knef im Laufe ihrer Karriere gegeben hat und die es möglich machen, einen Film fast ausschließlich aus Archivmaterial zu formen.
Allein wenn es um Knefs Erfahrungen in den Jahren des Zweiten Weltkriegs geht müssen einige generische Archivbilder von Bombenangriffen und Zerstörung herhalten, ansonsten sind nur die beiden noch lebenden Gesprächspartner und eben Hildargd Knef zu sehen. Was auch viel über das Wesen einer Schauspielerin erzählt, die schon in jungen in „Unter den Brücken“ und „Die Mörder sind unter uns“ in zwei der wichtigsten deutschen Nachkriegsfilme auftrat und seitdem Teil der Öffentlichkeit war.
Und damit auch Erwartungen und Ansprüche weckte, dem Publikum, den Fans das Gefühl gab, das es Hildegard Knef kannte, dass es ein recht auf Informationen habe. In Phasen mag das überbordend, ja, übergriffig gewesen sein, aber immer wieder wird deutlich, dass Hildegard Knef diese Aufmerksamkeit liebte, um nicht zu sagen: brauchte. Allerdings ist sie selbstkritisch und analytisch genug, um diesen Wesenszug selbst zu sehen und ihn präzise auf den Punkt zu bringen: Mit bemerkenswerter Offenheit stellt sich Knef in den gezeigten Interviews den Fragen ihrer Gesprächspartner, formuliert druckreife Sätze, in denen sie ihr ambivalentes Verhältnis zum Star sein, zum Ruhm, kritisch reflektiert.
Das Bild einer starken Frau entsteht, einer selbstbewussten Schauspielerin, die manche Niederlage erlebte, aber auch große Erfolge feierte. Welche Opfer gerade auch die Menschen, die ihr besonders nahestanden, dafür bisweilen aufbringen mussten, wird unterschwellig in den Berichten ihrer Tochter und ihres letzten Ehemannes deutlich. Als tragische Figur sollte man Hildegard Knef dennoch nicht verstehen, dafür war ihr Leben, ihre Karriere zu spektakulär.
Michael Meyns