„Goodbye Deutschland“ mit Jude Law und Daniel Brühl! Ron Howard nimmt sich in seiner neuen Regiearbeit bizarre Auseinandersetzungen vor, die sich in den 1930er-Jahren unter deutschsprachigen Aussteigern auf der Galápagos-Insel Floreana tatsächlich zugetragen haben. Sein stargespickter Abenteuerthriller „Eden“ ist passable Spannungskost, interessiert sich aber leider nur sehr wenig für die Hintergründe der Figuren. Momente, in denen der Film etwas tiefer bohrt, sind meistens schnell wieder vorbei.
Über den Film
Originaltitel
Eden (2024)
Deutscher Titel
Eden (2024)
Produktionsland
USA,CAN
Filmdauer
129 min
Produktionsjahr
2024
Regisseur
Howard, Ron
Verleih
Leonine Distribution GmbH
Starttermin
03.04.2025
Nachbarschaft kann etwas Schönes sein. Zumindest dann, wenn man sich versteht, vertraut und gegenseitig aushilft. Ist von Anfang an jedoch Skepsis oder Feindseligkeit zu spüren, wird es schwer mit einem friedlichen Miteinander. Sitzt man mit der unliebsamen Partei auch noch auf einer einsamen Insel fest, die nur unregelmäßig Kontakt zur Außenwelt hat, entwickelt sich das Ganze womöglich schnell zu einem echten Albtraum. Genau diese Erfahrung müssen einige deutschsprachige Auswanderer in den 1930er-Jahren gemacht haben, als sie Europa den Rücken kehrten und sich auf dem bis dahin unbewohnten Pazifikeiland Floreana ansiedelten.
Der Zusammenprall unterschiedlicher Persönlichkeiten und Temperamente ging als „Galápagos-Affäre“ in die Geschichte ein und inspirierte schon früh Journalisten, Schriftsteller und Filmemacher. 2014 wurde auf der Berlinale der Dokumentarstreifen „The Galapagos Affair: Satan Came to Eden“ gezeigt, der die teils gewaltsamen Konflikte akribisch nachzeichnet. Die bis heute nicht restlos aufgeklärten Geschehnisse auf Floreana zogen auch US-Regisseur Ron Howard in den Bann, dessen Werke – etwa „Apollo 13“ (1995), „Frost/Nixon“ (2008) und „Rush – Alles für den Sieg“ (2013) – nicht selten wahre Begebenheiten rekonstruieren.
Mit „Eden“ bekommt die „Galápagos-Affäre“ nun ihre Hollywood-Bearbeitung, inklusive prominenter Besetzung. Jude Law spielt den zivilisationsmüden, zahnlosen Arzt Dr. Friedrich Ritter, der zusammen mit seiner an Multipler Sklerose erkrankten Geliebten Dore Strauch (Vanessa Kirby) in die pazifische Einsamkeit flieht, um ein Buch von enormer Strahlkraft zu verfassen. Inspiriert von den Philosophen Friedrich Nietzsche und Arthur Schopenhauer, möchte der Antikapitalist und Veganer das menschliche Zusammenleben völlig neu denken und wähnt sich auf dem Weg zum künftigen Großintellektuellen.
In sein Konzept passt freilich nicht die Ankunft der deutschen Familie Wittmer, bestehend aus Vater Heinz (Daniel Brühl), Mutter Margret (Sydney Sweeney) und Sohn Harry (Jonathan Tittel), die, inspiriert von Presseberichten über die beiden Pioniere, auf Floreana ebenfalls einen Neuanfang wagen will und sich durch das Klima eine Linderung von Harrys Tuberkuloseleiden erhofft. Ritter und Strauch empfangen die Neuankömmlinge wenig einladend und glauben, sie mit einem Trick schnell wieder loswerden zu können. Friedrich zeigt ihnen einen denkbar ungünstigen Ort zum Niederlassen, preist diesen aber als gut geschützt an. Wider Erwarten bleiben die Wittmers jedoch standhaft und schaffen es tatsächlich, ein Haus zu bauen und den Boden fruchtbar zu machen.
Die bereits vorhandenen Spannungen explodieren, als mit der angeblichen Baroness Eloise Wehrborn de Wagner-Bosquet (Ana de Armas), ihren beiden Liebhabern (Toby Wallace und Felix Kammerer) und einem einheimischen Gehilfen (Ignacio Gasparini) eine dritte Gruppe auf der Insel aufschlägt. Die vermeintliche Adelige, die von einem Luxushotel am Strand träumt, nimmt kein Blatt vor den Mund, führt sich auf wie die alleinige Besitzerin Floreanas und stößt die anderen mit ihrer Art immer wieder vor den Kopf.
Ron Howard und Drehbuchautor Noah Pink können sich am meisten für die unausweichliche Eskalation begeistern und schwingen dabei beherzt den dicken Pinsel. Spannend, aber völlig überzeichnet ist beispielsweise der Moment, in dem das Unheil geballt über die schwangere Margret hereinbricht. Auf Krawall gebürstet sind fast alle Szenen mit Eloise, die einem Cartoon entsprungen scheint. Ana de Armas hat sichtlich Spaß an dieser exaltierten Klischeeschurkin und setzt durchaus unterhaltsame Akzente. Andererseits: Ernst nehmen kann man die Figur kein bisschen, auch wenn die Macher über sie misogyne Strukturen hier und da zaghaft zu hinterfragen versuchen.
Einmal mehr wird der Regisseur seinem Ruf als routinierter Leinwandhandwerker gerecht. Die Grabenkämpfe bieten soliden Nervenkitzel. Die erdig-rauen Bilder passen zum Inhalt. Und die Darsteller liefern ordentliche Leistungen ab. Größere Ambitionen sucht man allerdings vergeblich. Thematisch interessante Aspekte wie das Erstarken rechtsextremer Kräfte in Europa, die Kritik am Kapitalismus und Gedanken über die Natur des Menschen haben lediglich Stichwortcharakter, obwohl sie auch heute, 90 Jahre später, noch von großer Relevanz sind. Allzu oberflächlich transportiert „Eden“ zudem die Anstrengungen, die das Leben auf der kargen Insel den Bewohnern abverlangt. Den Schweiß, die harte Arbeit und die Entbehrung hätte Howard ruhig etwas stärker greifbar machen können. Am Ende steht ein Film, der eine an Kuriositäten reiche, höchst ungewöhnliche Geschichte in einen eher konventionell gestrickten Survivalthriller überführt.
Christopher Diekhaus