Balconettes

Die Erkenntnis aus diesem Film: Frauen stellen sich beim Beseitigen einer Leiche noch dämlicher an als Männer. Auch darüber hinaus bietet die feministische Horrorkomödie um drei Frauen und einen toten Mann außer etwas Brutalo-Feminismus, teilweise recht blutigem Horror und einem gelegentlichen Hauch von Humor vor allem gute Ansätze und Ideen in einem Film, der nach einem leichten, lockeren Anfang das Publikum polarisieren könnte. Was zu Beginn als frech und parodistisch durchgeht, wird immer ernsthafter, gleichzeitig aber auch abgedrehter. Fans des Horrorgenres können sich jedenfalls auf französischen Frauen-Pulp freuen.

 

 

Über den Film

Originaltitel

Les femmes au balcon

Deutscher Titel

Balconettes

Produktionsland

FRA

Filmdauer

103 min

Produktionsjahr

2024

Regisseur

Merlant, Noémie

Verleih

PROGRESS Filmverleih – PROGRESS Film GmbH

Starttermin

08.05.2025

 

Sommerhitze in Marseille und eine gnadenlos vom Himmel strahlende Sonne – das ist die Ausgangsposition für „Die Balconettes“. Es geht um drei unterschiedliche Freundinnen, die sich tagsüber in Ermangelung einer Klimaanlage auf ihrem Balkon die Zeit vertreiben: die zurückhaltende Möchtegern-Schriftstellerin Nicole, das freche Camgirl Ruby und die Schauspielerin Elise, die von der Regisseurin und Autorin Noémie Merlant selbst gespielt wird. Nicole ist heimlich in den attraktiven Nachbarn von gegenüber verliebt, den sie vom Balkon aus beobachten kann. Als er das seinerseits bemerkt und die drei Damen vom Balkon spontan zu sich einlädt, sieht sich Nicole kurz vor dem Ziel ihrer Träume. Die beiden anderen sind ihr bei der Aufbrezelung behilflich, doch die Nacht, die mit Musik, Tanz und guten Drinks startet, endet in der Katastrophe, denn der hübsche Nachbar landet nicht, wie erhofft, in Nicoles Bett, sondern aufgespießt auf einem Kleiderständer. Dort finden ihn die Frauen am nächsten Morgen, alle sind verkatert, ihre Erinnerungen stark getrübt und keine weiß mehr, was eigentlich passiert ist. Damit sie nicht unter Mordverdacht geraten, wollen sie die Leiche beseitigen.

Insgesamt kommt in der Handlung die Logik eindeutig zu kurz, der Film wirkt nach dem ersten Drittel oft uneinheitlich. Da passt so einiges nicht zusammen. Manchmal wird es sogar ein bisschen eklig, das Kunstblut darf reichlich fließen, ein paar Schockmomente gehören ebenfalls dazu. Dabei greifen die Autorinnen immer wieder auf Klischees und aus dem Zusammenhang gerissene Gags zurück. Die Darstellerinnen tun ihr Bestes, sie schreien, kreischen und grimassieren aufs Heftigste und finden sich vermutlich sehr komisch dabei. Zumindest scheint es, als ob sie versuchen, mit dem Outrieren und mit ihrer sexy Ausstrahlung Lacher zu erzeugen bzw. die immer zahlreicher zutage tretenden Löcher im Drehbuch zu stopfen. Doch das geht leider nach hinten los und konterkariert schließlich die Absicht des Films, der eine feministische Horrorkomödie sein will – und irgendwann genau das Gegenteil wird: voyeuristisch und mit einem zweifelhaften Frauenbild.

Dabei gibt es durchaus gute Ansätze – besonders zu Beginn. Da dominiert noch der anfängliche Schwung und ein bissiger, tatsächlich rebellischer Frauenhumor das Geschehen. Auch ein Fake-Orgasmus gehört dazu, dessen schrille Töne die Nachbarn des Toten davon abhalten, nachzufragen, was eigentlich los ist. Dabei haben die Drei soeben die Leiche ihres nächtlichen Gastgebers entdeckt. Eine hübsche Idee ist es auch, dass die drei Frauen unerwartete Unterstützung durch die Polizei erhalten, als sie den Toten abtransportieren wollen. Doch die zu Beginn des Films noch verheißungsvolle freche Dynamik des Frauentrios verschwindet irgendwann im blutigen Dunst einer grotesk überdrehten Entwicklung quer durch verschiedene Genres, aber ohne einheitliche Struktur und Dramaturgie mit dem Fokus auf einem gewissen Holzhammer-Feminismus.

Es sei dahingestellt, ob es die Frauenwelt weiterbringt, wenn sämtliche Männer als Täter betrachtet werden – potenziell oder tatsächlich. In der Filmgeschichte gibt es wunderbare Beispiele für Frauen, die sich blutig rächen für das Leid, das Männer ihnen angetan haben. „Kill Bill“ ist unvergessen. „Balconettes“ mit ihren kunstblutgetränkten Verweisen in Richtung Revenge-Movie, Zombiefilm, Pulp und Gore kann da kaum mithalten. Im Gegenteil: Manchmal wirkt der Film so, als hätten sich ein paar pubertierende Mädchen was ganz Schlimmes, Ungezogenes ausdenken wollen. So entsteht manchmal im Film der Eindruck eines aus dem Ruder gelaufenen Junggesellinnenabschieds, bei dem Frauen betrunken und kreischend um die Häuser ziehen und das Ganze als feministisch und provokant verkaufen wollen. Schade, denn etwas mehr Eleganz und Esprit hätten dem Film gutgetan. Dennoch bietet der Film immerhin Stoff für Diskussionen – nicht nur zwischen Freundinnen.

 

Gaby Sikorski

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